Auch nach dem Rückzug Ingrid Fischbachs aus der aktiven Politik ist Herne prominent in der Berliner Bundesregierung vertreten. Erstmals sitzt eine Politikerin aus unserer Stadt sogar mit am Kabinettstisch und bringt damit die große Bedeutung zum Ausdruck, welche die neue Merkel-Koalition der Kultur beimisst.
Eine Entwicklung, für die das schwarz-gelbe NRW-Kabinett Armin Laschets Vorreiter gewesen ist nach jahrzehntelanger Marginalisierung der Kultur durch sozialdemokratisch geführte Düsseldorfer Landesregierungen.
Gerade hat mit der Neubildung der Großen Koalition die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Ingrid Fischbach auch ihr Amt als Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium aufgeben können, um sich mehr der Familie widmen zu können, da ist ihre einstige SPD-Parlamentskollegin Michelle Müntefering zur neuen Staatsministerin für internationale Kulturpolitik ernannt worden. Ihr Rang entspricht zwar dem einer Staatssekretärin, sie gehört aber an der Seite "ihres" Ministers zum Bundeskabinett.
"Das Amt hat es in dieser Prägung noch nicht gegeben. Ich will helfen, das Profil der internationalen Kulturpolitik zu schärfen" sagte die 37-Jährige unter der Woche in ihrer ersten Presserunde nach der Ernennung zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt. "Ich möchte vor allem dazu beitragen", so Müntefering, "die Freiheitsrechte von Künstlern, Wissenschaftlern und Journalisten zu sichern und den Kulturaustausch auszubauen. Gerade in Krisenregionen muss eine Stärkung der Zivilgesellschaft unser Ziel sein."
Die Herner SPD-Bundestagsabgeordnete, die als Staatsministerin zum Amtsbereich des neuen Außenministers und Parteikollegen Heiko Maas gehört, ist für das Goethe-Institut und den Deutschen Akademischen Austausch-Dienst (DAAD) zuständig, für das besonders im Bereich Ausstellungen bedeutsame Institut für Auslandsbeziehungen (IFA) mit eigener Galerie in der Hauptstadt, für die Humboldt-Stiftung und das Deutsche Ärchäologische Institut sowie für die Zusammenarbeit mit der Unesco.
Neben dem Goethe-Institut, einem besonderen Anliegen Michelle Münteferings durch dessen globale Mittlerrolle, dessen Netzwerk insbesondere in deutsch-französischer Kooperation erweitert werden soll, kümmert sich die Hernerin des Jahrgangs 1980 auch um Ausgrabungen und Restaurierungen unter deutscher Beteiligung und um deutsche Schulen in aller Welt. Als eigenen Schwerpunkt setzt sie die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Deutschlands unter besonderer Berücksichtigung der Sicht der "Betroffenen". Worunter freilich nicht nur die Nachkommen der vor allem afrikanischen Kolonien des Kaiserreichs zu zählen sind, sondern im Restitutionsfall auch deutsche Institutionen wie das Übersee-Museum in Bremen, das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln oder die gerade für das Humboldt-Forum im wiederaufgebauten Berliner Stadtschloss geplanten außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen.
"Teilen und herrschen" titelte die "Berliner Zeitung" zur Einführung gleich zweier Staatsministerinnen für Kultur. Denn neben der "Neuen", Michelle Müntefering, bleibt auch die bisherige, im Bundeskanzleramt angesiedelte "Beauftragte der Bundesrepublik für Kultur und Medien", Monika Grütters, im Amt, nun ebenfalls im Rang einer Staatsministerin. Konflikte sind da vorprogrammiert, ganz vorn dabei die Provenienzforschung beim kolonialen Erbe in heimischen Museen und Sammlungen sowie die Ausgestaltung besagten Humboldt-Forums, dem wohl ambitioniertesten kulturpolitischen Vorhaben der nun endlich begonnenen Legislaturperiode.
Pitt Herrmann